Matreus sitzt gestresst vor dem Computer. Wo soll er nur anfangen? Es gibt so vieles, was er neu installieren muss. Am Wichtigsten sind auf jeden Fall die Überwachungsgeräte. Matreus weiß genau, welche Tasten er drücken muss, welche Codes einzugeben sind und wie die Passwörter lauten, schließlich ist dieses Terminal so etwas wie sein „Baby“. Er hat es damals nach Zanrelots Wünschen eingerichtet und mit allen möglichen Funktionen ausgestattet. Umso wütender ist er auf Amon, der so leichtfertig mit seiner Magie umgegangen ist und damit des empfindlichste und wichtigste Gerät der gesamten Unterwelt lahmgelegt hat. Matreus sieht die einzelnen Zahlen- und Buchstabencodes nur auf einem ganz kleinen Monitor, der sonst nie benutzt wird. Er ist in den Schreibtisch eingelassen und hat eigentlich nur diese eine Funktion: die Installation der Software anzuzeigen. Die beiden anderen Bildschirme bleiben zunächst schwarz. Als Matreus nach einer dreiviertel Stunde den letzten Überwachungscode eingibt, drückt er sich selbst die Daumen. „Jetzt kommts drauf an. 3, 2, 1, Enter.“ Auf dem linken Bildschirm erscheint sofort das Verlies, der Rechte zeigt die Schleuse. Erleichtert sackt Matreus im Stuhl zusammen. „Na also, immerhin funktioniert die Überwachung wieder.“ Matreus tippt auf der Tastatur herum und kontrolliert jede einzelne Kamera. Sie funktionieren zum Glück wieder einwandfrei. Aber das waren nur die Kameras, noch kein Alarm und auch kein Lautsprecher funktionieren wieder. Matreus stockt, als er dabei ist, die Kamera in Amons Kammer zu testen. Der Junge hat ein Bündel gepackt. ‚Der wird doch wohl nicht weglaufen wollen‘, denkt Matreus. Er schüttelt wieder einmal den Kopf über Amon. ‚So ein Kind hab ich noch nie erlebt.‘
Matreus erhebt sich seufzend. Eigentlich hätte er jetzt wirklich Wichtigeres zu tun, als den Seelentröster für ein Kind zu spielen. Die Jugend von heute ist wirklich nichts mehr gewohnt. Kaum gibt es Schwierigkeiten, laufen sie davon. Kein Durchhaltevermögen gibt es mehr. Matreus kann dieses Verhalten nicht verstehen. Egal, wie viel Mist er gebaut hatte, er wäre nie weggelaufen. Das hätte sein Stolz niemals zugelassen. Matreus hat immer jede Strafe schuldbewusst und demütig auf sich genommen, niemals hätte er sich herausgeredet oder wäre geflüchtet. So etwas ist nicht nur feige, sondern auch unehrenhaft.
Ohne anzuklopfen betritt Matreus Amons Kammer. Er sieht den Jungen an und erkennt sofort, dass er geweint hat. Seine Worte haben wohl wenigstens etwas Wirkung gezeigt. Matreus sieht den Jungen streng an. „Nun Amon, da hast du ja einiges angerichtet. Dieser Computer ist unser wichtigstes Überwachungs- und Informationssystem. Du hast es mit deiner unbedachten Aktion lahmgelegt. Ich muss nun alles neu installieren und einstellen. Einige Informationen sind für immer verloren. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass du wirklich begreifst, was das heißt. Ich werde nicht nur die nächsten Wochen vor dem Computer sitzen und Codes eintippen. Das ist das Mindeste, das kriege ich wieder in den Griff. Aber wichtige Informationen über die Wächter sind unwiederbringlich gelöscht. Wir haben keine Kopie davon. Wir konnten ja nicht ahnen, dass ein wildgewordener 14jähriger plötzlich einen Magiestrahl auf die Monitore abfeuert.“ Bei den letzten Worten wird Matreus etwas lauter. Er hält kurz inne, um sich zu sammeln und nicht wieder einen Wutausbruch zu haben. Matreus dreht sich von Amon weg, um durchzuatmen und kurz die Augen zu schließen.
Als er sie wieder öffnet, erblickt er das Bündel, das Amon geschnürt hat und schüttelt den Kopf. Er wendet sich wieder dem Jungen zu. Sein Blick hat sich etwas verändert. Er sieht nicht mehr wütend aus, jedoch immer noch recht streng und entschlossen. Matreus setzt sich zu Amon aufs Bett. „Jetzt hör mir mal zu, Junge. Was ich dir jetzt sage, ist sehr wichtig und ich möchte, dass du das niemals in deinem Leben vergisst. Magie ist kein Spielzeug. Deine Magie hast du vom Meister höchstpersönlich geschenkt bekommen. Er hat sie dir übertragen und das ist ein Privileg. Und wie du sicher weißt, können Privilegien wieder entzogen werden. Magie ist etwas Wertvolles, Kostbares und Besonderes, das man nur bedacht und niemals tollkühn einsetzten sollte. Du hast ja gesehen, was geschieht, wenn man damit spielt. Heute war es ‚nur‘ der Computer. Aber stell dir mal vor, du hättest damit auf einen Menschen gezielt. Selbst einer von uns könnte durch so eine blödsinnige, tölpelhafte Aktion sterben. Ich werde deinen Zauberstab für eine Weile behalten, Amon. Du bekommst ihn, wenn wir gemeinsam üben. Anschließend wirst du ihn mir wieder aushändigen. Ich werde ihn dir wiedergeben, sobald ich das Gefühl habe, dir wieder vertrauen zu können.“
Matreus fixiert kopfschüttelnd das Bündel. „Das packst du mal schön wieder aus.“ Er nickt Amon aufmunternd zu. „Ich bin zwar immer noch zornig auf dich wegen dem Computer, aber wie gesagt, das bekomme ich einigermaßen wieder hin. Und das mit deiner Magie schaffen wir auch noch. Du musst dich eben noch mehr anstrengen. Keiner hat je behauptet, dass es leicht ist, ein Magier zu sein. Ich weiß nicht, wie du dir das vorgestellt hast. Aber wie bei allen Dingen im Leben, muss man üben, um besser zu werden. Und du wirst noch viel üben müssen, Amon. Aber mit der Zeit wirst du sehen, dass deine Mühe sich lohnt. Streng dich an, sei nicht so unbedacht und hör auf die erfahrenen Magier. Die Regeln und Verboten haben wir uns nicht ausgedacht, weil wir sie lustig finden.“
Matreus steht auf und mustert Amon noch einmal. „Aber nun genug davon. Du hast noch eine Aufgabe zu erfüllen. Ich möchte, dass du zum Meister gehst und ihm berichtest, was du angestellt hast. Du kannst ihm auch sagen, dass ich bereits an der Lösung des Problems abreite und deshalb nicht zurückgekommen bin.“