Amon genießt die Fahrt, wenn auch nicht ganz so sehr wie die erste. Sein Körper gibt ihm inzwischen doch recht deutlich zu verstehen, dass er das Ganze nicht so toll findet wie er. Trotzdem ist der Rausch der Geschwindigkeit und der Angstlust immer noch hammergeil. Amon kann den Mund nicht länger zupressen und kreischt und lacht gleichzeitig.
Ui, die Spezialeffekte sind ihm ja beim ersten Mal gar nicht aufgefallen: Die Gondel rast nicht nur, die vibriert auch. Und es gibt Lichteffekte, so eine Art Blitze. Aber ganz schön laut ist das Ding auch, es dröhnt richtig. Die Gondel nähert sich dem höchsten Punkt, die Spannung steigt, gleich werden sie wieder in die Tiefe sausen. Amons Magen verkrampft sich schon erwartungsvoll. Doch plötzlich steht die Gondel still.
"Und jetzt?" fragt Amon ratlos, "gehört das dazu? Damit man sich erschrickt, wenn's wieder losgeht?" Doch es geht nicht wieder los. Ein greller Blitz fährt in das Metallgestell, dicht neben der Gondel, das für einige Augenblicke flackernd aufflammt. "Scheiße", stammelt Amon, "das ist kein Effekt..." Es ist mitten am Tag stockfinster geworden, nur die Blitze erhellen ab und zu den Himmel. Ein Gewitter, und was für eins! Und sie sitzen hier oben fest! Stromausfall vermutlich, das kann dauern.
Amon wird schlecht, diesmal aber vor Angst. Vergessen ist seine weitgehende Unsterblichkeit und die Tatsache, dass Feuer und Blitze nicht unbedingt dämonenfeindlich sind. Er war lange genug ein Mensch, um einfach eine instinktive Urangst davor zu empfinden. Das zunehmende Beben und Ächzen des Silverstars trägt auch nicht gerade zur Beruhigung seiner Nerven bei.
Doch dann kommt erst das, was er wirklich fürchten sollte: das Wasser! Heftiger Regen prasselt auf die schutzlosen Insassen der Gondel nieder. Angst- und schmerzerfüllt schreit Amon auf. Das Wasser brennt auf seiner Haut, als wäre es kochend heiß. "Hilfe!" jammert er panisch, zieht den Kopf ein und versucht panisch, unter Matreus' Jacke zu kriechen. Doch das klappt nicht ganz und auch Matreus wird irgendwann unter dem Wasser zu leiden haben, wenn es so weitergeht.
Mit dem Kopf unter Matreus' Jacke, ohne den Wortwechsel zwischen Matreus und Pinkas richtig zu hören, kommt Amon ein weiterer fürchterlicher Gedanke: "Matreus? Das ist kein normales Unwetter, oder? Ist das Zanrelot? Oh nein, du hattest recht, er glaubt, wir hätten ihn verlassen. Diese Regentropfen, sind... sind das Zanrelot-Tränen? Oh, Meister, unser armer Meister..."
Matreus hingegen denkt an Amons Wohl und sein eigenes. Er handelt, statt lange nachzudenken. Beherzt packt er Amons Hand und springt in die Tiefe...
Amon schreit entsetzt auf. Im freien Fall rasen sie auf den Erdboden zu! Gleich werden sie aufschlagen und tot sein. Oder schlimmer noch, als Unsterbliche, zerschmettert, aber nicht tot. Da, der Boden! Amon wartet auf den Schmerz. Doch die Erde scheint sich aufzutun und, wie sonst durch Wände, gleiten Matreus und Amon einfach hindurch, wie durch einen Nebel.
Amon rappelt sich halb auf und blickt auf zwei schwarze Hosenbeine direkt vor ihm. Sein Blick wandert höher und erfasst den ganzen Zanrelot. Doch was ist mit ihm? Sein ganzer Körper bebt, seine Augen flackern wild, so hat Amon ihn noch nie erlebt. "Meister", flüstert er nur, halb furchtsam, halb mitleidig, während Matreus versucht, sich zu rechtfertigen.